„Dieses Abstimmungsergebnis enttäuscht zutiefst. Dass mit Steffi Lemke ausgerechnet eine grüne Umweltministerin vor der plumpen und fachlich haltlosen Panikmache konservativer Lobbygruppen einknickt und dem Töten als vermeintlichen Lösungsansatz den Weg ebnet, macht besonders fassungslos“, kommentiert James Brückner, Leiter des Fachreferats für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. „Inmitten der globalen Biodiversitätskrise ist es dringender denn je geboten, dass die EU sich in ihren Entscheidungen durch Besonnenheit und Sachverstand leiten lässt. Die Rückkehr des Wolfes ist ein großer Erfolg für den Artenschutz, für den der hohe Schutzstatus maßgeblich verantwortlich war. Nun das Rad zurückzudrehen, weil begleitende Managementmaßnahmen zum Schutz von Weidetieren vernachlässigt wurden, wäre ein Armutszeugnis.“
Tierschutzgerechte Koexistenz statt Abschüsse
Laut einer von der EU-Kommission selbst vorgelegten Datenanalyse zum Wolfsbestand haben sich verschiedene Maßnahmen als wirksam erwiesen, um Risse an Weidetieren zu verhindern – ausreichend angewandt werden diese aber vielerorts noch immer nicht. Die Absenkung des Schutzstatus von „streng geschützt“ auf „geschützt“ und damit verbundene stärkere Eingriffe in die Wolfspopulation hingegen führen nicht zwangsläufig zu einer Verringerung von Weidetierrissen, wie wissenschaftliche Untersuchungen zeigen. Auch dem Willen der EU-Bürger entspricht das Abstimmungsergebnis nicht: Laut einer Umfrage* unter der ländlichen Bevölkerung in neun Mitgliedsstaaten aus November 2023 wollen diese den gesetzlichen Schutz für Wölfe mit klarer Mehrheit aufrechterhalten und unterstützen eine friedliche Koexistenz.
Wolf darf kein Präzedenzfall werden
Während der Vorschlag der EU-Kommission, über den die Mitgliedsstaaten abgestimmt haben, nun erst noch dem Ständigen Ausschuss des Berner Übereinkommens vorgelegt werden muss, werden bereits Stimmen laut, auch bei anderen Arten den Schutzstandard abzusenken, wie etwa bei Biber, Kormoran, Saatkrähen und Fischotter. Der Deutsche Tierschutzbund zeigt sich entsetzt. „Noch kann verhindert werden, dass diese Abstimmung zu einem Präzedenzfall wird“, so Brückner. „Wir erwarten von der EU und insbesondere von Deutschland, dass die mühsam erarbeiteten Erfolge des Naturschutzes in Europa nicht aufs Spiel gesetzt werden.“ Die nächste Sitzung des Ständigen Ausschusses ist für Dezember 2024 angesetzt.
*Die Umfrage „UNDERSTANDING RURAL PERSPECTIVES - A survey on attitudes towards large carnivores in rural communities“ finden Sie hier zum Download.