Unsere Stadttauben brauchen Hilfe… immer

Stadttauben... geliebt oder gehasst, dazwischen gibt es nicht viel

Kaum ein Thema erregt die Gemüter so gegensätzlich wie die Existenz der Stadttauben. Auf der einen Seite sind die Taubenliebhaber, die in der Taube ein Lebewesen sehen, dass fälschlicherweise mit Brot und Haferflocken liebevoll gefüttert wird, auf der anderen Seite sind die Taubenhasser, die die Tiere als „Ratten der Lüfte“ bezeichnen, die Krankheiten übertragen, unsere Häuser und Wege beschmutzen und mehr Schädling als fühlende Wesen sind.

Über die Tauben in unseren Städten gibt es viele Meinungen, aber selten fundierte Kenntnisse. Menschen, die sich mit den Stadttauben wirklich auskennen, gibt es wenige.

Selbst Veterinärmediziner teilen Ansichten, die nachweislich falsch sind und zu einem völlig unangebrachten Bild der Stadttauben in der Öffentlichkeit führen.

Hartnäckig halten sich fünf Irrtümer in der Bevölkerung

Erster Irrtum:

Stadttauben sind Wildtiere. Nein, Stadttauben sind keine Wildtiere!
Stadttauben entstammen domestizierten Haustauben aus Taubenschlägen. Sie werden seit Jahrtausenden gezüchtet, ebenso wie die Brieftauben oder Ziertauben. Stadttauben sind verwilderte und obdachlose Haustauben. 

Haustauben stammen ursprünglich von der Felsentaube ab, die, wie der Name sagt, in Felsen ihre Nester baut. In den Stadttauben ist diese Genetik übrig geblieben. Sie brauchen daher unsere Häuser und Brücken, weil diese den Felsen ähneln.

Wildtauben, z.B. Türken- oder Ringeltauben, findet man selten in der Stadt! Sie leben in Wäldern oder Parks mit Baumbestand.

Der zweite Irrtum:

Stadttauben finden alleine Nahrung. Nein, das tun sie nicht. Stadttauben sind Körnerfresser!

 
Seit Jahrtausenden von den Menschen gefüttert, wissen sie nicht, wie sie sich ernähren können. Das ist ihnen ab gezüchtet worden. 
Um nicht zu verhungern, sammeln sie das auf, was sie finden. Und das ist im Wesentlichen Müll und Abfall der Menschen, vergleichbar mit den Straßenhunden.
Nur artgerechtes Körnerfutter finden sie nicht. Und nur das würde der Taube Gesundheit und Wohlbefinden verschaffen.

Wildtauben dagegen fressen Beeren, junge Triebe, Samen usw. und finden ihre Nahrung auch selbstständig auf den Feldern, in den Wäldern oder Anlagen.

Dritter Irrtum:

Entzieht man den Stadttauben das Futter, brüten sie nicht so oft!

Falsch….Stadttauben brüten bis zu siebenmal pro Jahr, egal ob mit ausreichender Fütterung oder ohne. Tendenziell sogar mehr, bei geringerem Futterangebot.  

Das ist ihnen an gezüchtet worden, damit der Mensch immer wieder frische „Ware“ verfügbar hatte und hat. 
 

Wildtauben brüten dagegen nur zwei- oder dreimal im Jahr.

Vierter Irrtum:

Stadttauben sind Schädlinge und übertragen Krankheiten!
Unzähligen Studien der letzten Jahre beweisen, dass  es nachweislich falsch ist, dass Tauben massiv Krankheiten auf den Menschen übertragen.
Wie bei jedem anderen Haustier ist es möglich, dass sich Parasiten wie Flöhe und Zecken auch den Menschen als Wirt suchen. Dies ist aber unwahrscheinlich. Ebenso kann theoretisch die Ornithose- eine Form der Lungenentzündung- auf immungeschwächte Menschen in sehr engem Kontakt mit dem Tier übertragen werden. Allerdings ist die Ornithose ebenso bei Geflügel , Sittichen oder Papageien zu finden und könnte auf den Menschen übertragen werden.
 

Der Tierschutzverein Wuppertal e.V. betreut seit über 10 Jahren einen Taubenturm in Barmen und beschäftigt hauptamtlich dort einen Mitarbeiter, der sich trotz sehr engem Kontakt, auch mit kranken Tauben, nie mit irgendetwas, ausgehend von den Tauben, angesteckt hat. Stadttauben übertragen auch nicht die Vogelgrippe.
Anzumerken ist aber, dass in jedem Tier und Menschen Erreger, Bakterien, Viren, Pilze, Ekto-und Endoparasiten zu finden sind, die u.U. vom Tier auf  den Menschen, aber auch vom Menschen auf das Tier übertragbar sind. Diese sogenannten Zoonosen gewinnen leider immer mehr Bedeutung,
sind aber, wenn überhaupt,  nur geringfügig auf Stadttauben zurück zu führen.

Fünfter Irrtum:

Tauben zerstören durch ihren Kot die Bausubstanz der Häuser, Brücken und Sehenswürdigkeiten.
Die technische Universität Darmstadt hat hierzu  in 2004 ein Gutachten erstellt.
Taubenkot hat demnach keine Auswirkungen auf Gestein, wie Sandstein oder Granit .
Genauso wenig werden Holzoberflächen angegriffen.
 

Lediglich bei verschiedenen Blechen zeigen sich  Spuren von Oxidation. Das trifft aber auf jede Art von Vogelkot zu.
Durch die nicht artgerechte Ernährung haben die Tauben oft Durchfall- und Hungerkot der sich schmierig auf  Oberflächen legt und auch schwierig zu reinigen ist. Werden Stadttauben artgerecht ernährt, haben sie einen gesunden, kompakten und festen  Kot , der deutlich leichter  zu entfernen ist.

Stadttauben leiden stumm und sterben unbemerkt!

Stadttauben sind chronisch unterernährt und fehlgenährt. Dadurch sind sie stark geschwächt und ziehen auch ihre Jungtiere geschwächt auf, die durch die sogenannte Kropfmilch ernährt werden.
Tauben sind den ganzen Tag auf den Beinen, um irgendwo ein bisschen Nahrung zu finden. Ihre Beine sind oft von Fadenresten und Haaren so verschnürt, dass sie sich stark entzünden bis sie im schlimmsten Fall absterben. Überall in den Innenstädten sieht man Tiere mit stark verkrüppelten Gliedmaßen und sogar einbeinig oder auf dem Stumpf laufend. Noch schlimmer ist es, wenn beide Beine zusammen geschnürt sind, was ein Laufen unmöglich macht. Damit ist ihr Hungertod besiegelt.

So werden Tauben in der Stadt oft nur 2 bis 3 Jahre alt, obwohl sie unter idealen Bedingungen mehr als fünf mal so alt werden können.

Stadttauben haben schwere chronische Durchfälle und ihr geschwächtes Immunsystem hat mit vielen Krankheiten zu kämpfen.

Stadttauben werden absichtlich verletzt, getreten, gejagt und mit Tierschutz widrigen Methoden verbrämt.

Da finden sich auf den Häusern der Innenstädte, den Brücken und Bahnhöfen dicht an dicht die sogenannten Spikes, hochstehende spitze Metallstifte, die es den Vögeln nicht möglich machen zu landen und die zu schweren Verletzungen führen.

Trotzdem versuchen die Tiere dort zu brüten und sich aufzuhalten. Die Jungtauben können

von dort nicht starten und bleiben hängen und verenden elendig.

Netze werden gespannt, aus denen die Tauben nicht mehr heraus finden.

Klebepaste wird aufgetragen, an denen die Tiere mit Füßen und Federn kleben bleiben und einen langsamen und qualvollen Tod sterben.

Städte lassen Stadttauben durch Fütterungsverbote verhungern oder bringen Greifvögel zum Einsatz.

Dieses Küken wurde nur wenige Tage alt…

Diese Taube ist massiv unterernährt.

Die Schädlingsbekämpfer und Installateure von Taubenabwehr verdienen an unseren Stadttauben viel Geld und benutzen immer das Mittel der Angst um Aufträge zu bekommen. Da heißt es zum Beispiel bei der Firma Rentokil unter „Krankheiten und Schäden durch Taubenplagen“ u.a.

tödliche Lungenentzündung“ oder „tödliche Durchfallerkrankung“ oder „Zerstörung der Lunge“.

Diese überspitzten und nicht wissenschaftlich fundierten Aussagen hat zum Glück auch das Landgericht Osnabrück als solche erkannt und Rentokil in 2018 aufgefordert sämtliche Falschaussagen über Tauben von ihrer Webseite und Broschüre zu entfernen.

Neben Rentikol gibt es aber noch andere unzählige Anbieter die die Angst vor Tauben schüren, um mit tierschutzwidrigen Abwehrmaßnahmen mehr Geld zu verdienen.

 

 

Stadttauben sind individuelle, intelligente, freundliche und friedliebende Wesen, die unsere Wertschätzung und unseren Beistand verdienen!
Sie können, da sie den Menschen gewohnt sind, sehr zutraulich werden.
Sie verfügen über einen außerordentlichen Orientierungssinn und besitzen ein komplexes Wahrnehmungsverhalten. 
Sie finden über kilometerweite Distanzen zurück zu ihrem Heimatschlag . Sie können sich Gesichter von Menschen und ihr Verhalten ihnen gegenüber merken. Auch können sie sich selbst und andere Tauben im Spiegel erkennen. Und sie bleiben ihren Partnern treu, wenn möglich ein Leben lang.
Diese Eigenschaften haben sich die Menschen seit Jahrtausenden zu Nutze gemacht.

„Schon Krieg führende Länder des Altertums wussten die Taube wegen ihrer Standorttreue und überragender Flugeigenschaften als Überbringer von Nachrichten zu schätzen“ (Weyrather, 2014, S.1). Auch im ersten und zweiten Weltkrieg wurden Tauben erfolgreich als Kuriere eingesetzt.
Vorrangig wurde die Taube aber als Nahrungsmittellieferant gezüchtet. Da sie als Nischenbrüter  mit wenig Platz auskommt, konnten und können viele Tiere auf engem Raum untergebracht werden. Tauben werden auch heute noch gerne in osteuropäischen Ländern, im asiatischen und orientalischem Raum gegessen. Im europäischen Raum finden sich Tauben als Delikatesse in der Spitzengastronomie.

„Die Taube wurde im Laufe ihrer Geschichte zu den Symbolen der Liebesgöttinnen, der Liebe, der Unschuld und der Reinheit, der Seele der Verstorbenen, des Friedens und des heiligen Geistes.

Es gibt kaum eine Kultur, welche die Tauben als Haustiere gehalten hat, die sie nicht früher oder später von ihrer biologischen Grundlage gelöst und als Symbol von Gottheiten und Tugenden in die menschliches Geisteswelt übernommen hat“ (Haag-Wackernagel, 2012, S.3).

Auch heute gibt es noch den Brauch, weiße Tauben bei Hochzeiten in den Himmel aufsteigen zu lassen. Dieser Brauch ist allerdings sehr kritisch zu betrachten. Denn auch weiße Tauben sind Haustauben, die eventuell nicht in den Schlag zurück finden und sich dann mit den vorhandenen Tauben in der Stadt verpaaren oder aber verenden. Bei den Stadttauben finden sich daher allen Arten von Gefieder, die deutlich von den hellgrauen, mit zwei schwarzen Flügelbinden ausgestatteten Reinformen abweichen.

Der Mensch ist, besonders durch die langjährige Züchtung von Tauben und die damit verbundene genetische Veränderung verantwortlich für die Stadttaubenproblematik. Alle Stadttauben sind verloren gegangene Zucht- und Brieftauben, bzw. deren Nachkommen. 

Neben den Zuchttauben, wie zum Beispiel die Hochzeitstauben oder Ziertauben, spielen die Brieftauben eine große Rolle. Die Brieftaubenzüchter lassen ihre Tiere hunderte Kilometer weit vom Schlag entfernt aufgehen und schicken sie auf kraftraubende Wettflüge. Oft sieht man in den Städten beringte Tauben, die dort gestrandet sind, weil sie die Strecke nicht geschafft haben. Diese Tiere sind dann oft wertlos für ihre Besitzer und selbst wenn man sie anhand der Ringnummer ausfindig machen kann, wollen sie das Tier nicht zurück oder es wird getötet

Ca. 40 bis 50% der aufgelassenen Brieftauben finden nicht zurück und verschärfen damit die Problematik der Stadttauben. .

Unsere Stadttauben sind durch ihre Domestizierung auf den Menschen angewiesen. Sie sind, trotz aller Vergrämungsversuche durch den Menschen, nicht aus dem Stadtbild überall auf der Welt wegzudenken.

Es liegt in unserer humanen und kulturell-historischen Verantwortung diesen Tieren, für deren Schicksal wir selbst verantwortlich sind, zu helfen.

Das Augsburger Modell
(betreute Taubenschläge) schafft Lösungen. Dort finden die Tiere artgerechte Nahrung und Unterkunft. Aus den Nestern werden die Taubeneier entfernt und gegen Attrappen getauscht, so dass die Taubenpopulation eingedämmt werden kann.

Ein betreuter Taubenturm ist die effektivste und nachhaltigste Lösung der Stadttaubenproblematik.

Viele Städte sind, trotz zahlreicher, belegbarer Erfolge, nach wir vor nicht bereit, ein Konzept zu erarbeiten und eine finanziell gangbare Möglichkeit für betreute Taubentürme zu schafffen.

Lieber investiert man in die oben genannten Vergrämungsmaßnahmen, die die Kosten eines betreuten Schlages bei weitem übertreffen dürften.

Fütterungsverbote verschärfen die Situation der Stadttauben und verstoßen, ebenso wie die Verbrämungsmaßnahmen, gegen das Tierschutzgesetz, welches einmal mehr seine Nutzlosigkeit zeigt.

In Wuppertal gibt es vier betreute Taubenschläge:

Seit 2008 Taubenhaus im Heizkraftwerk in Barmen geführt durch den Tierschutzverein Wuppertal e.V.

Seit 2012 Taubenhaus im historischen Verwaltungsgebäude Elberfeld geführt durch die Stadttauben Wuppertal.

Seit 2012 Taubenhaus in Wuppertal Oberbarmen/ Schwebebahn geführt durch die Stadttauben Wuppertal.

Seit 2018 Taubenhaus in der Citykirche geführt durch den evangelischen Kirchenkreis und Verwaltungsamt Wuppertal.

Es gibt verschieden Kooperationen mit städtischen Institutionen, aber vier Taubenhäuser lösen für eine Großstadt wie Wuppertal mit seinen verschiedenen Stadtteilen und der eigenwilligen Topografie, die Stadttaubenproblematik nicht.

Nahezu jeder Stadtteil hat eine Taubenpopulation, und längst der Tal Achse finden Tauben an den Schwebebahnhöfen und unter den Brücken ideale Nistbedingungen.

Weitere Taubenhäuser sind unerlässlich, um die Stadt frei von Tauben zu halten, die Population einzudämmen, aber in erster Linie, um den Stadttauben ein artgerechtes Leben zu ermöglichen!

In Wuppertal haben sich zum Glück einige engagierte Menschen gefunden, die regelmäßig die Stadttauben „entschnüren“ und auch verletzte und geschwächte Tiere aufnehmen und gesund pflegen.

Facebook : Fliegende Schönheiten-Stadttauben in Wuppertal

Der Tierschutzverein Wuppertal e.V. versucht diese Gruppe zu unterstützen und wenn möglich Hilfestellung zu geben. Unsere Stadttauben haben jede Hilfe verdient!

Achtung: In Wuppertal ist das Füttern von Tauben eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einer Geldstrafe belegt werden. Alle Taubenfreude sollten dies beachten und sich dementsprechend verhalten.

Einige Fotos wurden uns freundlicherweise von der Tiernothilfe Hagen e.V. zur Verfügung gestellt.

Weitere Infos hier:

Tierschutzbund

Peta

Nabu